Martina Borgmann - Heilpraktikerin Kreis Neuss und Kaarst
Blutegeltherapie
Die Blutegeltherapie ist ein uraltes medizinisches Verfahren. Schon unsere Vorfahren kannten die heilbringende Wirkung der kleinen tierischen Helfer. Viele chronische Leiden konnten hierdurch wesentlich verbessert werden. Leider kam es im 19. Jahrhundert zu einem Missbrauch dieses Therapieverfahrens und die Egel wurden zu oft und bei falscher Indikation eingesetzt, was wiederum zu übermäßigem Blutverlust führte.
Seit den letzten Jahren, hat man sich aber auf die positiven Wirkungsweisen zurückbesonnen. Hier einige Daten über den medizinischen Blutegel (Hirudo medicinalis). Der Egel ist ein Ringelwurm dessen Hinterteil kleine Saugnäpfe hat, mit denen er sich festhalten kann. Am vorderen Körperteil befindet sich der Mund mit einer Saugöffnung. Dieser besteht aus insgesamt drei strahlenförmig angeordneten Kiefern, die über 80 Kalkzähnchen verfügen.
Der Blutegel ist dunkelgrün und weist an beiden Seiten drei braune Längsstreifen auf. Blutegel können bis zu 20 Jahre alt werden. Sie ernähren sich vom Blut beweglicher Objekte.
Vorgang des Blutsaugens:
Nachdem der Blutegel sich festgesaugt hat, sägt er sich mit seinem Kiefer in die Haut. Während des Saugens, sondert der Egel Speichel in die Wunde ab, der dafür sorgt, dass die Wunde offen bleibt und das Blut fließt.
Der Saugvorgang dauert zwischen 30 und 90 Minuten. Hierbei saugt der Egel ca. 15 Milliliter Blut. Nachdem der Egel satt ist, löst er sich von selbst. Die Wunde schließt sich dank der gerinnungshemmenden Wirkstoffe, die der Egel über seinen Speichel in das Blut gegeben hat, erst nach etwa 12 Stunden. Das nachfließende Blut beträgt zwischen 30 und 40 Milliliter, dies führt zu einer guten Entlastung des schmerzenden Gewebes. Das Gewicht des Blutegels hat sich verdreifacht und er kann nun über 1,5 Jahre davon zehren.
Die schmerzlindernde Wirkung geht wahrscheinlich auf die im Speichel enthaltenen Inhaltsstoffe zurück. Man konnte im Labor viele Substanzen heraus analysieren. Hier möchte ich einige davon nennen:
- Hiridin und Calin sind Enzyme, die dafür sorgen, dass die Blutgerinnung gehemmt wird. Dadurch können wahrscheinlich antientzündliche und schmerzlindernde Stoffe tief ins Gewebe eindringen.
- Eglin, Edelin, Apyrase und Kollagenase wirken antiphlogistisch (entzündungshemmend).
- Hyaluronidase wirkt aufweichend und lockernd auf das Gewebe.
Bei Entzündungen besteht häufig auch eine Schwellung, Rötung und Überwärmung des Gewebes , dadurch entsteht Druck auf die Nervenzellen, was Schmerzen auslösen kann.
Durch den kleinen Aderlass des Blutegels entsteht eine sofortige Erleichterung durch Druckentlastung. Die Erfahrungen aus Studien zeigen, dass bei Kniearthrose bspw. in 75 Prozent aller Patienten nach der Behandlung eine Besserung der Beschwerden für mindestens drei Monate erzielt werden konnte. Danach kann die Wirkung langsam nachlassen.
Bei vielen Patienten dauert die schmerzlindernde Wirkung aber auch sechs Monate oder länger an. Ebenso gute Erfolge kann man bei schmerzhafter Schulterarthrose, Daumengrundgelenksarthrose und Sprunggelenksarthrose beobachten. Darüber hinaus scheint eine deutliche schmerzreduzierende Wirkung bei nichtarthrotischen Erkrankungen die jeweils mit starken lokalen Schmerzen einhergehen, wie z.B. dem sogenannten Tennisellbogen oder Lumbago, einzutreten. Oft kann nach einer Blutegeltherapie mit Engpassdehnungen und speziellen aufbauenden Übungen begonnen werden. Dadurch wird das Gelenk gedehnt, stabilisiert und gestärkt.
Der schmerzgeminderte oder schmerzfreie Zeitraum kann so noch einmal vergrößert werden. Oft kommen die Blutegel aber auch bei Venenentzündungen und Gefäßerkrankungen, sowie Bluthochdruck oder Tinnitus zum Einsatz. Durch die druckentlastende, antientzündliche und gerinnungshemmende Wirkung ist diese Therapieform eine gute Möglichkeit nebenwirkungsarm zu behandeln.
Schmerzt der Biss?
Beim „Andocken“ des Egels kommt es zu einem ziehenden leicht brennendem Gefühl, was aber nach kurzer Zeit nachlässt. Da der Egel daran interessiert ist, ungestört saugen zu können, sondert er über den Speichel ein „Lokalanästhetikum“ ab, was zu einer leichten Betäubung an der Bissstelle führt.
Kontraindikationen und Nebenwirkungen:
Kontraindiziert ist die Therapie bei Patienten die an einer Hämophilie oder Anämie leiden, ebenso bei Immunsupprimation, sowie Nieren- und Lebererkrankungen und bei der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten wie z.B. Heparin oder Macumar®. Als Nebenwirkung findet man häufig allergische Reaktionen wie Rötungen und Juckreiz die vor allem auf die Wirkung des Histamins zurückzuführen sind. Dies ist einerseits unangenehm dient aber auch der besseren Durchblutung. Abhilfe schaffen hier entsprechende Umschläge und Salben. Die Bissstellen können noch Wochen bis Monate sichtbar sein, heilen in der Regel aber vollständig ab.
Infektionsrisiko:
Es besteht die Möglichkeit der leichten Entzündung. In seltenen Fällen können auch Krankheitserreger, die sich im Blutegel befinden, zu Infektionen führen. Die Gabe von Antibiotika ist in diesem Falle zu empfehlen.
Wichtig ist die sachgerechte Behandlung. Die Egel dürfen beispielsweise nie mit Gewalt entfernt werden, da der Egel in diesem Fall eventuell vorhandene Keime in die Saugstelle einbringen würde. Hat der Egel sich vollgesaugt, fällt er von alleine ab, ohne jegliche äußere Manipulation. Die richtige Versorgung und Nachsorge unter medizinischen Verhältnissen reduziert eventuelle Nebenwirkungen.
Warum wird auch in der heutigen Zeit der Blutegel immer noch in der Medizin angewandt?
Trotz modernster Forschung ist es noch nicht gelungen den „Wirkstoffcocktail“ die der Blutegel in sich trägt künstlich im Labor herzustellen. Der Pharmaindustrie ist es zwar gelungen einzelne Wirksubstanzen zu synthetisieren, aber die Mischung und Wirkungsweise die durch das Anlegen der Egel entsteht, kann noch nicht nachgeahmt werden. Deswegen werden beispielsweise Blutegel auch in der rekonstruktiven Chirurgie zur Verbesserung der Wundheilung verwendet. Durch die Unterstützung der kleinen Helfer konnte schon manchem Patienten gut geholfen werden, der sonst wegen einer schlechten Stoffwechselsituation angenähte Körperteile verloren hätte. Durch die absaugende, gerinnungshemmende und antientzündliche Wirkung kann krankhaftes Gewebe wundervoll regenerieren.